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Ernährung

Scharfe Wurzel, scharfe Wirkung: Der Meerrettich

von 7. Januar 2021August 19th, 2021Keine Kommentare

Wachsende Antibiotika-Resistenzen sind ein weltweites Problem, dem sich die Gesellschaft stellen muss. In der Vergangenheit, so resümiert die Weltgesundheitsorganisation, sind zu viele Antibiotika verschrieben worden, so dass sich nun immer mehr multiresistente Keime entwickeln. Als hilfreiche Alternative bieten sich antibakterielle Pflanzen an. Und auf genau solche Schätze aus der Natur will der Verein NHV Theophrastus hinweisen, der alljährlich die „Heilpflanze des Jahres“ kürt. Diesmal ist es der Meerrettich geworden. Wir kennen ihn als würzigen Dip zu geräuchertem Lachs oder zum kalten Braten. Aber über die vielfältigen Heilwirkungen des Meerrettich weiß heute kaum mehr einer Bescheid. Grund genug, sich dieses Gemüse einmal näher anzuschauen. Wo kommt der Meerrettich ursprünglich her, wie wirkt er und wie lässt er sich zubereiten? Dazu habe ich mich mit der Kräuterexpertin Ines Keller aus dem sächsischen Königshain-Wiederau unterhalten.

Dies ist ein Audio-Beitrag, der Anfang Januar bei MDR Kultur gesendet wurde. Aus rechtlichen Gründen hier nicht das Audio, sondern nur das Manuskript.

 

 

Auf den ersten Blick könnte man den Meerrettich mit einer Petersilienwurzel verwechseln. Einmal aufgerieben, wird der Unterschied aber schnell deutlich: wer auch nur ein bisschen Meerrettich zu viel erwischt, dem treibt es die Tränen in die Augen. Aufgrund seiner Schärfe ist der Meerrettich nicht jedermanns Sache. Ines Keller aus dem sächsischen Königshain-Wiederau bringt ihn gern auf den Tisch:

O-Ton Ines Keller: „Ein traditionelles Rezept hier aus der Gegend ist die scharfe Sache. Das kenne ich als Kind noch. Das war eine Scheibe Brot mit Butter. Da kommt dann Senf drauf, in Scheiben geschnittene saure Gurke, dann Scheiben vom kalten Schweinebraten. Und da oben drauf ordentlich Meerrettich. Und das war dann wirklich auch scharf! Wenn der ganz frisch war, da haben dann die Augen getränt.“

Bei ihren Kräuterführungen begegnet Ines Keller dem Wildgemüse gelegentlich auf den Wiesen der Region Mittelsachsen. Traditionell angebaut wird der Meerrettich allerdings eher im Spreewald oder in Franken. Es waren die Slawen, die die heilkräftige Wurzel aus Südost-Europa einst zu uns brachten. Schon in der Antike war „Armoracia Rusticana“ sehr geschätzt. Von den alten Griechen ist der Spruch überliefert: „Radieschen ist sein Gewicht in Blei wert, Rettich in Silber, Meerrettich aber in Gold“. So verwundert es nicht, dass er auch in die Heilgärten der Klöster Eingang fand.

O-Ton Marie Christine Wassely: „Hildegard von Bingen hat bereits den Meerrettich in ihrer Kultur geführt. D.h. schon zu ihrer Zeit ist er im Klostergarten gewesen“.

Marie Christine Wassely hat ihre Erkrankungen einst mit Meerrettich geheilt – und ihm zu Ehren ein Buch verfasst.

O-Ton Marie Christine Wassely: „Historisches aus jüngerer Zeit ist z.B. zur Zeit des Deutschen Reiches gewesen. Da war Meerrettich ein Bestandteil in jedem Kräutergarten auf dem Land. In der Stadt wurden die Leute mit Krenfrauen versorgt, die die Krenstangen in ihren Körben mitgeführt haben und von Tür zu Tür angeboten haben. Später dann, als Kriege waren, als Leute Heilmittel gebraucht haben, sind die Leute eben drauf gekommen: auch aus dieser Wurzel kann man etwas herstellen, was den Leuten wieder die Gesundheit zurück bringt“

Sein außergewöhnlich hoher Vitamin-C-Gehalt brachte dem Meerrettich einst den Titel „Zitrone des Nordens“ ein. Daneben sind es insbesondere die Senfölglycoside, die ihm seine gesundheitsfördernde Wirkung verleihen. Die Liste der Erkrankungen, bei denen man die Wurzel einsetzen kann, ist erstaunlich lang. Als Heilpflanze habe sie ein „großes und leider bisher zu wenig ausgeschöpftes Potential“, so der Verein NHV Theophrastus, der den Meerrettich zur „Heilpflanze des Jahres“ gekürt hat. Wissenschaftliche Studien haben ergeben: seine Inhaltsstoffe hemmen Entzündungen und haben beachtliche antivirale und antibakterielle Wirkungen – in Zeiten wachsender Antibiotika-Resistenzen ist das von besonders hohem Wert.

Da erfreut es doch das Gärtnerherz, dass der Meerrettich leicht zu kultivieren ist. Z.B. aus dem übrig gebliebenen Strunk einer aufgeriebenen Meerrettich-Wurzel. Diesen Strunk kann in Wasser stellen und sobald sich ausreichend Wurzeln gebildet haben einpflanzen. Wo der Meerrettich einmal Fuß gefasst hat, ist er kaum zu bändigen.

O-Ton Ines Keller: „Die Wurzeln selbst kann man sich so zwei bis drei Wochen aufheben im Gemüsefach des Kühlschranks. Wenn man sie länger aufheben möchte ist die beste Methode: ein Eimer mit Sand, reinstecken und das Ganze im Keller aufbewahren. Da hält es sich eigentlich Monate.“

Ines Keller bietet neben den Wildkräuterführungen auch Kochkurse an. Der Meerrettich, so findet sie, ist besonders einfach zu verarbeiten. Ein Klassiker ist der Dipp aus der frisch geriebenen Wurzel, Salz, Pfeffer und Zitrone.

O-Ton Ines Keller:“Sehr lecker ist auch z.B. wenn man sich eine Kartoffelsuppe macht. Da Meerrettich mit rein. Und er passt auch hervorragend zu Roter Bete. Also einfach einen Salat machen aus Roter Bete, ein bisschen Apfel rein und Meerrettich. Für den Crunch kann man noch ein paar Wallnüsse in der Pfanne anrösten. Den Salat zwei-drei Stunden durchziehen lassen und dann die Wallnüsse dazu“

Neben der Verwendung in der vegetarischen Küche passt er auch gut zu Tafelspitz, Rinderbrust oder Wildgerichten. Und so ist der Meerrettich nicht nur eine vielseitige Heilpflanze, sondern gleichzeitig auch ein Genuss für die Sinne.

 

 

Literaturhinweis:

Die Autorin Marie Christine Wassely veröffentlicht im Frühling ein neues Buch über den Meerrettich unter dem Titel: „Meerrettich – Nahrungsmittel und Heilmittel aus der Natur“

 

Kontakt:

Ines Keller

www.kreuz-und-quer-natur-erleben.de

 

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